Appell

Nicht zum Krieg schreiten, in aller Öffentlichkeit auf Gerechtigkeit und Ehre gegründete internationale Beziehungen zu unterhalten und die Vorschriften des internationalen Rechts, die fürderhin als Richtschnur für das tatsächliche Verhalten der Regierungen anerkannt sind, genau zu beachten"- aus der Satzung des Völkerbundes, der Vorgängerorganisation der UNO

Die volle Wahrheit über die politischen Ereignisse, die sich nach dem Zerfall der Sowjetunion im Kaukasus zutrugen, wird vor der Öffentlichkeit seitens der Weltdiplomatie und der Politiker bedauerlich hartnäckig verschwiegen. Einst durch Unabhängigkeitsbewegungen erwachte und vom kommunistischen Totalitarismus mehr oder weniger befreite Kaukasusstaaten wurden nach dem so genannten Augustputsch in Moskau im Jahr 1991 nach und nach durch die Kreml'sche Waffengewalt zurück in die GUS geführt. Letztlich ist die GUS nichts anderes als die vormalige UdSSR abzüglich der drei Baltischen Staaten. Seit 1991 ersetzt der Kreml im Kaukasus demokratisch gewählte Präsidenten durch eigene Emissäre, führt Kriege, mordet legitime Präsidenten von Kaukasusstaaten, sowie hunderttausende von Zivilisten, verdreht dabei vor der Öffentlichkeit die Tatsachen und droht weiter. Die Weltöffentlichkeit, vor allem Sie, Politiker und Diplomaten der demokratischen Welt schweigen weiter und zeigen keinerlei Wille, diplomatischen Druck auf Russland auszuüben, so, als ob Legitimität und Souveränität für Sie keine Begriffe wären, wenn es um Kaukasusstaaten geht.

Terror und Gewalt jeglicher Art haben keinerlei Rechtfertigung, aber auch das Verschweigen und damit das Zulassen des Verdrehens von Tatsachen sind kein minderschweres Verbrechen. Sie, diejenigen, die sich Kraft der Diplomatie für eine sicherere Welt einsetzen, erheben Ihre Stimmen leider nur dann, wenn sich Blutbäder,wie jetzt in Beslan ereignen. Sie ignorieren die Tatsache, dass Sie mit Ihrem Schweigen es dem gepanzerten Kreml erst ermöglichen, seine imperialistische Politik fortzusetzen. Wer, wenn nicht Sie, die bestens Unterrichteten wissen, dass die Kriege im Kaukasus keineswegs einen religiösen Charakter tragen, sondern dass zum Beispiel das Tschetschenische Dilemma in einem wirtschaftlich-politischen Interessenkonflikt wurzelt.

So taten Ihre Vorgänger und Sie nichts, als in Georgien am 6. Januar 1992, die durchdemokratische Wahlen gewählte, legitime Regierung von Präsident SwiadGamsachurdia durch einen vom Kreml inszenierten und geführten Militärputsch gestürzt und verfassungswidrig durch den Militärrat des Politbürorentners Eduard Schewardnadse ersetzt wurde. Anstatt diplomatischen Druck auf den Kreml und die Putschisten auszuüben und dadurch für die Wiederherstellung der Legitimität zu sorgen, erkannten Ihre Vorgänger und Sie Schewardnadses Junta an, arbeiteten mitihm zusammen und verhalfen ihm, die Herrschaft des Kremls zu sichern und die dreimalige Okkupation Westgeorgiens, einen Provokationskrieg in Abchasien, die Beschießung der zahlreichen friedlichen Protestdemonstrationen und Tötung von hunderten von verhafteten Regimegegnern auf georgischem Territorium durchzuführen.

Das Selbe Szenario wiederholte sich kurz danach in Aserbaidschan. Auch dort wurde der demokratisch gewählte Präsident Abulfas Elchibei abgesetzt. Der andere Politbürorentner und ehemalige ZK-Vorsitzende Geidar Alijew war für den Kreml der geeignetere Kandidat zur Umsetzung seiner besatzerischen Politik als der Humanist Elchibei.

Weiterhin wurde Ihrerseits mit Schweigen hingenommen, dass die russische Armee unter der Führung von Admiral Baltin und Schewardnadse's russlandtreue kriminellen Truppen den legitimen Präsidenten Georgiens Ende 1993 erschossen. Genauso wenig war der seit dem Frühjahr 1994 zweimalige Feldzug gegen Tschetschenien und das Attentat auf dessen legitimen Präsidenten Dschochar Dudajew für Ihre Vorgänger und Sie der Rede und Handlung wert. Dank der operativen Arbeit des russischen Geheimdienstes teilte auch der Übergangspräsident Tschetscheniens Selimchan Jandarbijev in diesem Jahr in Katar Dudajews Schicksal.

Russische Truppen machen Tschetschenien schon seit 10 Jahren immer wieder erdgleich. Seit dem Beginn des ersten Krieges wurden mehr als 40 000 Schüler und etwa 200 000 Zivilisten verschleppt, vergewaltigt. gefoltert, getötet und anschließend als Leichen geschändet worden. Auch dieser Genozid bestimmt für Sie, Diplomaten und Politiker der demokratischen Welt nicht das Klima der außenpolitischen Beziehungen mit Russland. Der legitime Präsident Tschetscheniens, Maschadow, wird von Ihnen weiterhin, wie einst Präsident Dudajew, als Rebellenführer bezeichnet; ganz zu schweigen vom Fall Gamsachurdia, der ganz im Sinne des Kremls immer noch als Faschist und Separatist dargestellt wird, ohne dass in Betracht gezogen wird, dass dieser ,Faschist" 40 Jahre lang politisch gegen das sowjetische Regime gekämpft hat und der selbe Gamsachurdia, die Idee der souveränen Kaukasusstaaten und Kleinvölker nach dem EU-Modell, in einem Kaukasischen Haus vereinen wollte. Im okkupierten Tschetschenien veranstaltete der Kreml zweimalig verfassungswidrige Präsidentschaftswahlen, setzte Marionetten als Präsidenten ein und ignoriert weiterhin den legitimen Machthaber des Landes.

Erwachen Sie! Die am 7. September veranstaltete Antiterrordemonstration in Moskau wurde mit Kriegsliedern eröffnet. Jetzt setzt der Kreml Kopfgeld auf den rechtmäßigen Präsidenten Maschadow aus, verweigert weiterhin, ihn als legitimen Vertreter und Verhandlungspartner Tschetscheniens wahrzunehmen und schwört, ihn samt Unabhängigkeitskämpfern präventiv anzugreifen.

Dass, was der Kreml im Gesamtkaukasus und insbesondere in Tschetschenien betreibt ist der klassische russische Staatsterror. Allein in Ihrer Hand liegt die friedliche Lösung dieses Konfliktes. Handeln Sie als Wissende! Setzen Sie sich dringend gegen Unterdrückung, Unrecht und Gewalt ein! Stoppen Sie Russland! Gestalten Sie eine friedlichere Welt! Ansonsten wird es noch einmal zu spat sein, da der Kreml nicht nur die Angehörigen der tschetschenischen Unabhängigkeitskämpfer als Geiseln genommen, sondern auch ein neues Blutbad angekündigt hat.

Schweigen Sie nicht!

Khatia Gudushauri